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Bund verklagt Berliner Mieter

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„Ich bin verärgert und enttäuscht“, sagt der 52-jährige Michael Alvarez Kalverkamp aus  Zehlendorf. Weil er der letzten Mieterhöhung seines Vermieters wegen des schlechten Zustandes seines Wohnhauses nicht zustimmen wollte,  hat ihn der Eigentümer   verklagt – so wie andere Mieter in der Wohnsiedlung.   Der Vermieter ist allerdings kein börsennotiertes Unternehmen, sondern die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die die Wohnungen der Bundesrepublik Deutschland verwaltet.

Gegen Mieter in Berlin ist die Bima in den vergangenen Jahren  besonders  vor Gericht gezogen. Von 133 Gerichtsverfahren, die die Bima  von Mai 2016 bis April 2018 gegen Mieter anstrengte, richteten sich  24 Verfahren gegen Haushalte in der Bundeshauptstadt. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Frage der Berliner Bundestagsabgeordneten Lisa Paus (Grüne) hervor, die der Berliner Zeitung exklusiv vorliegt. Mit großem Abstand auf Platz zwei folgen  Nordrhein-Westfalen  und das Saarland, wo der Bund in den vergangenen zwei Jahren je 16 Gerichtsverfahren gegen Mieter einleitete.

Aus Sicht von Alvarez Kalverkamp ist die Mieterhöhung für seine Wohnung nicht gerechtfertigt. „Es gibt Schimmel, die Fenster sind nicht richtig abgedichtet, über das Treppenhaus im Originalzustand der 50er Jahre entweicht die Wärme nach draußen“, sagt  er.   „Wir hätten uns gewünscht, dass wir mit der Bima über deren Mietenpolitik sprechen können, schließlich ist sie kein normaler Vermieter, sondern die öffentliche Hand“, so der 52-Jährige. „Sie hat uns auf unsere Briefe aber nicht geantwortet und uns ohne eine Aussprache einfach vor Gericht gezerrt.“

Erhöhungen nach dem Einzug

Beim Einzug vor vier Jahren habe er für seine etwa 110 Quadratmeter große Wohnung noch 1243 Euro Warmmiete gezahlt, berichtet Alvarez Kalverkamp,  Vater von drei Kindern. 2016 kam die erste Mieterhöhung  auf  1311 Euro warm. Im Sommer vergangenen Jahres wollte die Bima erneut mehr Geld sehen: 1379 Euro sollten es nun sein. Ähnlich sieht es bei Claudia-Stefanie Schmid aus. Die 55-Jährige aus der Sundgauer Straße soll für ihre 124 Quadratmeter große Wohnung künftig 1234 Euro zahlen – 124 Euro mehr als bisher. „Die Mieterhöhung ist nicht gerechtfertigt“, sagt auch sie. Schmid  hat die Zustimmung zur Mieterhöhung ebenfalls verweigert – und wird nun von der Bima verklagt.

„Auf einem angespannten Wohnungsmarkt wie in Berlin kommt dem Bund aus unserer Sicht eine besondere Verantwortung für eine maßvolle Mietengestaltung zu“, sagt Alvarez Kalverkamp. „Tatsächlich betätigt sich die Bima bisher aber als Mietpreistreiber.“ Für viele Mieter in der Siedlung an der Sundgauer Straße gingen die Mieterhöhungen an die Schmerzgrenze, für manche sogar darüber hinaus. „Sie zahlen bereits deutlich mehr als 30 Prozent des Einkommens für die Miete und müssen sich finanziell einschränken“, sagt Alvarez Kalverkamp.

Die Bima treibt nicht nur die Mieten in bestehenden Mietverhältnissen nach oben. Auch beim Abschluss neuer Mietverträge nutzt sie oftmals jeden sich bietenden Spielraum aus.  So überschritt in Berlin zwischen Anfang Januar 2017 und Ende Februar 2018 die vereinbarte Miete in 80 von 271 Fällen die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete um zehn Prozent, wie aus der Antwort des Finanzministeriums auf eine weitere Anfrage der Grünen-Abgeordneten Paus hervorgeht. Das heißt: Der Bund ging bis an die äußerste Grenze des rechtlich Zulässigen. Denn laut Mietpreisbremse darf beim Abschluss neuer Verträge die ortsübliche Miete um höchstens zehn Prozent überschritten werden.

Damit macht der Bund Kasse auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt, wo die ortsübliche Vergleichsmiete durch die besonders hohen  Neuvertragsabschlüsse und Mieterhöhungen der letzten vier Jahre nach oben getrieben wird.

„Während die Bundesregierung das Thema Wohnen zu der entscheidenden sozialen Frage erklärt, verhält sich der Bund als Vermieter selbst alles andere als sozial“, kritisiert die Grünen-Abgeordnete Paus. „Der Bima in Berlin scheint es um die maximale Rendite zu gehen.“ Es sei „höchste Zeit“, dass Olaf Scholz als sozialdemokratischer Finanzminister endlich den Kurs seines Amtsvorgängers  Wolfgang Schäuble korrigiere. „Das jetzige Handeln lässt sich weder mit dem Koalitionsvertrag, geschweige denn mit dem Bild der öffentlichen Hand als sozialem Vermieter vereinbaren“, so Paus. Die Bima prozessiere  gegen die eigenen  Mieter, statt in die Instandhaltung der Gebäude zu investieren und die Mietkosten gering zu halten.

Rücknahme gefordert

„Wir fordern, dass die Bima die Mieterhöhungen und die Klagen zurücknimmt – notfalls auf Anweisung des vorgesetzten Bundesfinanzministeriums“, sagt Michael Alvarez Kalverkamp. Bundesregierung und  Bundestag müssten das Bima-Gesetz so ändern, dass der Bund zu sozialverträglichen Mietpreisen verpflichtet werde. Um damit dem allgemeinen Preisauftrieb etwas entgegen zu setzen – „so wie dies zum Beispiel in Wien bereits seit Jahrzehnten gehandhabt wird“, sagt Alvarez Kalverkamp. „Wenn sich Bund und Bundestag als Eigentümer weiterhin einer Bima-Reform verweigern, machen sie sich durch Nichthandeln mitverantwortlich für die Eskalation der Wohnungskrise.“

Das Bundesfinanzministerium rechtfertigt die Mieterhöhungen durch die Bima und versucht zugleich die Rolle der Bundesanstalt  auf dem Wohnungsmarkt zu relativieren. Die Bima habe sich bei der Gestaltung der Mieten „an die gesetzlichen Vorgaben zu halten“, erklärt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. Im Übrigen verweist der Sprecher darauf,  „dass die Wohnungen der Bima gemessen am Gesamtmietwohnungsbestand in Deutschland einen Anteil von weniger als 0,1 Prozent ausmachen“. Die rund 4800 Wohnungen der Bima in Berlin machten gemessen am Gesamtbestand von rund 1,9 Millionen Wohnungen in der Hauptstadt sogar nur „einen marginalen Anteil von 0,25 Prozent“ aus. Für das ortsübliche Mietniveau in Berlin macht das Finanzministerium vor allem die anderen Vermieter verantwortlich. Die von der Bima zu beachtende ortsübliche Vergleichsmiete werde „von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, den Wohnungsbaugenossenschaften sowie den privaten Wohnungseigentümern geprägt“, so der Ministeriumssprecher. Die Zahl der Klagen gegen Berliner Mieter will das Ministerium nicht bewerten.

Dass es anders geht, wenn auch nicht immer ohne Kritik, zeigen die städtischen Wohnungsunternehmen. Sie haben sich in einer Vereinbarung mit dem Senat verpflichtet, die Mieten pro Jahr in laufenden Verträgen  um maximal zwei Prozent zu erhöhen. Wenn der Bund seine Wohnungen in der Hauptstadt an das Land Berlin verkauft hätte, wie es mal geplant war, wären die Mieter in den Genuss des besseren Schutzes gekommen. 2017 lehnte der Bund den Verkauf ans Land jedoch ab.

Quelle: Berliner Zeitung

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