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Wer nicht erbt, hat es schwer

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In Deutschland wird gebaut und gebaut, und doch reicht es nicht, um den Bedarf an Wohnungen zu decken. Die Immobilienpreise steigen seit Jahren. 2016 kosteten Wohnungen und Häuser laut dem Verband Deutscher Pfandbriefbanken rund 30 Prozent mehr als im Jahr 2010. In den Großstädten ging es noch deutlich stärker nach oben.

Claus Michelsen, Immobilienexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), führt diese Entwicklung vor allem auf zwei Faktoren zurück: „Die wichtigsten Gründe sind die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Zuzug in die großen Städte.“

Die Nullzinspolitik der EZB mache zum einen die Finanzierung günstiger. Zum anderen würden durch die niedrigen Zinsen andere Anlagemöglichkeiten weniger attraktiv. Die Folge: Es wird mehr in Immobilien investiert. Auch aus dem Ausland fließt laut Michelsen viel Geld in deutsche Immobilien; besonders die großen Städte wie München, Berlin und Hamburg seien für diese Investoren attraktiv.

Und dann ist da noch der Trend der Reurbanisierung: „Um die Jahrtausendwende herum verließen noch viele Menschen die Städte Richtung Umland“, sagt Michelsen. „Doch schon wenig später zog es sie wieder zurück in die Städte.“ Das Leben dort gilt heute als besonders attraktiv – und auch die guten Jobs gibt es am ehesten in den Metropolen. Dies führe zu einer stärkeren Nachfrage nach Wohnraum und damit zu höheren Mieten, sagt Michelsen. In der Folge stiegen dann auch die Kaufpreise für Immobilien.

Baut die Branche zu teuer?

Immer wieder taucht auch die Frage auf, ob sich nicht billiger bauen ließe. Deutschlands größter Projektentwickler, Christoph Gröner, hatte im September in einem Interview mit dem SPIEGEL der Bauwirtschaft eine Mitschuld an den steigenden Preisen für neue Wohnungen und Häuser gegeben. Die Bauwirtschaft konzentriere sich nur auf das obere Fünftel der Bevölkerung, das fast jeden Preis zahlen könne, sagte Gröner. Die Branche verstehe es hingegen nicht, günstig zu bauen.

Die Bauwirtschaft müsse viel produktiver werden, so Gröner. Die einfachsten Möglichkeiten der Automatisierung würden in Deutschland nicht genutzt.
Reiner Braun vom Forschungsinstitut Empirica sieht darin nicht den entscheidenden Grund für die hohen Preise. Es gebe sicher Möglichkeiten, günstiger zu bauen und auch die niedrigeren Segmente zu bedienen, sagt Braun. Eine davon sei das sogenannte Serielle Bauen, bei dem es darum geht, möglichst viele Wohnungen nach einem standardisierten Muster zu bauen – und so Kosten zu sparen. „Das allein reißt es aber nicht raus.“

Der Hauptgrund dafür, dass nicht mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden, ist laut Braun ein anderer: „Das Bauland ist nicht da.“ Dieser Mangel sei weder auf Staats- noch auf Marktversagen zurückzuführen.

„Bauland wird durch die Kommunen ausgewiesen und von den Ländern genehmigt“, sagt Braun. „Den Kommunen fehlen aber oft die Mittel; in den letzten Jahren mussten sie Fachpersonal entlassen. Und wenn sie doch Bauland ausweisen, gibt es oft Proteste der Anwohner.“ Manchmal führten diese Umwelt- oder Tierschutzgründe gegen die Pläne an, bisweilen seien sie gegen den Zuzug von Ortsfremden.

Von der Idee, ein neues Stadtviertel zu bauen, bis zur Ausweisung von Bauland vergehen laut Braun oft zehn Jahre. „Das Angebot wächst zu langsam.“

Was die Politik tun kann

„Die steigenden Immobilienpreise hängen ganz stark mit der Binnenwanderung zusammen, die wir in Deutschland erleben“, sagt Braun. „Auf dem Land bauen wir in etwa so viel, wie wir bauen müssen, um der Nachfrage zu genügen, in den Top-Sieben-Städten dagegen nur halb so viel.“ Die Top-Sieben-Städte, das sind die Großstädte mit den höchsten Immobilienpreisen in Deutschland, also Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart.
Eine Aufgabe für die Politik liegt laut Braun darin, das Leben auf dem Land attraktiver zu machen, etwa durch eine Verbesserung der Infrastruktur, aber auch durch steuerliche Anreize. „Zuletzt wurde ja viel über den Solidaritätszuschlag gesprochen“, sagt Braun. „Warum beschließen wir nicht, den Soli in den Regionen abzuschaffen, aber nicht in den großen Städten?“
In den Innenstädten, wo Bauland knapp ist, könnte laut Braun die Umwandlung der Grundsteuer in eine Bodenwertsteuer helfen, mehr Wohnraum zu schaffen. Eine Bodenwertsteuer würde unabhängig davon erhoben, was auf dem Grundstück gebaut wird. Dies wäre laut Braun ein guter Anreiz für Nachverdichter, zusätzliche Wohnungen auf bereits bebauten Grundstücken zu bauen.

Die Grundsteuer wird derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt (worum es geht, lesen Sie hier), eine Reform wird deshalb ohnehin nötig. Ein wirklicher Systemwechsel zur Bodenwertsteuer ist aber von der wahrscheinlich künftigen Koalition aus Union und SPD nicht geplant. Stattdessen soll die Grundsteuer um eine Komponente erweitert werden, die die höhere Besteuerung ungenutzten Baulandes ermöglicht. So sollen Spekulationen eingedämmt werden.

Experten würden sich auch wünschen, dass die Energie- und Umweltanforderungen herabgesetzt werden. Auch das würde die Baukosten senken, so Forscher Braun. „Wenn wir die Anforderungen auf das Niveau von 2012 zurückdrehen, hätten wir eine kräftige Baukostensenkung und dennoch einen passablen Energiestandard.“

Die Jungen können sich ein Eigenheim kaum mehr leisten
Auch 2018 werden die Immobilienpreise in Deutschland nach Ansicht von Experten weiter steigen, allerdings langsamer als zuletzt. Ein Grund dafür: Die Ära ultraniedriger Zinsen könnte demnächst zu Ende gehen. „Wir vom DIW rechnen mit Zinserhöhungen in 2019“, sagt Claus Michelsen.

Eine Trendumkehr bei den Immobilienpreisen erwartet der Forscher allerdings nicht. Auch Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA) glaubt, dass die Immobilienpreise im Schnitt zunächst stabil bleiben werden. Die Konjunktur sei gut, es sei viel Geld im Markt, und das Wohnen in den Innenstädten beliebt.

Die hohen Immobilienpreise haben auch gesellschaftliche Folgen. „In Deutschland sind Immobilien der wichtigste Faktor der Vermögensbildung – und Vermögen bildet man in der Regel im Alter zwischen 30 und 40 oder 45 Jahren“, sagt Claus Michelsen vom DIW. Stark steigende Preise führten dazu, dass auch der Eigenkapitalbedarf steigt. „Wer dann nicht das Glück hat, in jungen Jahren geerbt zu haben, hat es schwer.“

Daten aus dem Mikrozensus scheinen dies zu belegen: Zwischen 2006 und 2014 legte die Quote der Eigenheimbesitzer bei den über 65-Jährigen von 48 auf 55 Prozent zu. Auch insgesamt stieg sie leicht an. Bei den 30- bis 40-Jährigen fiel sie dagegen von 30 auf 27,4 Prozent.

Quelle: Spiegel

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von factum
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