Die Preise in den angesagten Groß- und Universitätsstädten steigen immer weiter. Das federführende Bundesjustizministerium musste im Frühjahr 2017 eingestehen, dass die Mieten in Wohnungsinseraten sogar schneller zulegen, seit das Gesetz zur Regulierung von Mieterhöhungen gilt.
Umso überraschender ist das Ergebnis einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) an diesem Mittwoch in Berlin vorlegen wird. „Die Mietpreisbremse ist besser als ihr Ruf“, heißt es in der Untersuchung. Sie könne aber die Probleme am Wohnungsmarkt allein nicht lösen.
Die Preisbremse gilt in mittlerweile 313 deutschen Städten, allerdings nicht für neugebaute oder umfassend renovierte Wohnungen. Sie besagt: Zieht ein neuer Mieter ein, dürfen Eigentümer höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Miete für Wohnungen dieser Qualität. Aber nur, wenn der Mieter danach fragt, müssen Vermieter die vorherige Miete vorlegen. Sie können dann immer noch auf den Bestandschutz beharren und behaupten, schon vor Einführung der Preisbremse teurer vermietet zu haben als ortsüblich.
Allerdings zogen nur in wenigen Fällen Mieter vor Gericht, um ihre neuen Rechte durchzusetzen – viele Experten werteten dies als Indiz, dass die Mietpreisbremse ein „Papiertiger“ ist. Zu stark ist die Nachfrage nach Wohnungen in den Städten, zu viele Ausnahmen hat das Gesetz, zu viele Mieter scheuen einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang.
Das Berliner DIW wollte es nun genauer wissen. Die Forscher werteten 200 000 Mietinserate von Online-Plattformen aus und verglichen die Entwicklung der Mietpreise von Wohnungen, die unter die Preisbremse fallen und nicht fallen. Ihre neue Erkenntnis: Das neue Gesetz hilft doch, die Preisspirale anzuhalten. Je stärker die Mieten vor der Einführung gestiegen sind, desto wirksamer ist die Mietpreisbremse.
„Die Bremse greift nur in bestimmten Regionen mit besonders starken Mietanstiegen und erreicht damit nur kleine Teile der Bevölkerung. Das heißt jedoch nicht, dass die Mietpreisbremse grundsätzlich eine Fehlkonstruktion ist – dort, wo sie wirken kann, tut sie es auch“, sagt DIW-Immobilienökonom Claus Michelsen, einer der Autoren der Studie. Man müsse sich nur genau anschauen, wo überhaupt die Voraussetzungen erfüllt sind, damit die Mietpreisbremse greifen kann.
Maßstab für die maximal zulässige Neuvertragsmiete ist die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent. Diese wird als Durchschnittswert auf Basis abgeschlossener Mietverträge aus den vergangenen vier Jahren berechnet. Die drei Forscher wiesen nun nach, dass die Mietpreisbremse nur dann greifen kann, wenn die Neuvertragsmieten in den vier Jahren vor der Einführung im Durchschnitt um mindestens 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen sind. Nur in solchen Regionen mit mindestens so hohen Mietsteigerungen könne sie wirken. Dies dürfte in erster Linie „in den Innenstadtbezirken der Fall sein“.
Unterhalb der Marke von jährlichen Preissteigerungen in Höhe von 3,9 Prozent sei die Bremse dagegen „de facto wirkungslos, da die Marktmiete in diesem Fall rechnerisch nicht um mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen kann“, heißt es in der Untersuchung. So gelte in den Außenbezirken vieler der 313 regulierten Städte die Bremse zwar auf dem Papier, wirke sich aber nicht konkret aus. Man habe sich mit diesem Zehn-Prozent-Aufschlag eine ganz bestimmte Gruppe von Stadtteilen in den Innenstädten herausgepickt. „Damit hat man allerdings auch in anderen Stadtteilen die Hoffnung geweckt, dass die Mietpreisbremse eine Wirkung entfalten kann, und diese Hoffnungen wurden dann teilweise enttäuscht“, sagt Michelsen.
Dafür drückt die Bremse in Gegenden, in denen die Neuvertragsmieten für bestehende Wohnungen um mehr als 4,8 Prozent jährlich nach oben gingen, sogar deutlich den Mietanstieg. Hier seien die Mieten für Wohnungen mit Einführung der Bremse einmalig um durchschnittlich 2,9 Prozent gesunken – verglichen mit dem jeweiligen Monat vor Inkrafttreten der Regulierung. Die Forscher zählen dazu zum Beispiel München-Laim und München-Schwabing, Teile von Berlin-Mitte und Berlin-Neukölln, das Heusteigviertel in Stuttgart, aber auch Innenstadtteile der Universitätsstadt Bielefeld.
Union und SPD wollen Spekulation erschweren
Michelsen sieht noch einen anderen Vorteil der Mietpreisbremse: Er hält das Argument für nicht stichhaltig, dass der gesetzliche Eingriff eine Investitionsbremse sei, die den dringend benötigten Neubau von Wohnungen weniger attraktiv mache. Dies sei ein Vorurteil, „das bislang empirisch nicht belegt und zudem theoretisch unplausibel ist“, heißt in der Untersuchung. Der Neubau sei ja von der Mietpreisbremse ausgenommen, diese erhöhe somit eher den Anreiz, neu zu bauen, weil die Mieterträge hier schneller steigen könnten.
Unklar bleibt nach den Erkenntnissen der Forscher, „in welchem Umfang Verstöße gegen die Mietpreisbremse vorliegen“. Auch gehen sie davon aus, dass die Mietpreisbremse Haushalten mit geringem Einkommen nur wenig nützt. Diese dürften „bei der Auswahl durch die Vermieter durch das Sieb fallen“. Hingegen dürften „Haushalte mit mittleren Einkommen, deren Bonität gegenüber den hohen Einkommen nicht so stark abfällt, von der Regulierung profitieren“. Die Mietpreisbremse könne aber nicht „das Instrument zur Lösung aller Probleme sein“. Nötig sei auch eine Reform der Grundsteuer, um günstigen Wohnraum zu gewinnen.
Union und SPD planen, Kommunen die Möglichkeit zu geben, eine neue Grundsteuer auf unbebaute Grundstücke einzuführen. Damit wollen sie Spekulationen mit unbebautem Boden erschweren. Die drei Autoren schlagen vor, einen hypothetischen Bodenwert zu besteuern, der sich aus den möglichen Nutzungserträgen einer Bebauung errechnet. Dies wäre ein Anreiz, auf brachliegenden Grundstücken mehr zu bauen, aber auch auf bereits erschlossenen Flächen, „in dem Gebäude aufgestockt oder Hinterhöfe bebaut werden“.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
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