Immobilien in Deutschland werden seit Jahren immer teurer. Experten vermuten, dass ein Ende der Preisspirale erreicht sein könnte.
Anfang des Jahres hatte das Forschungsinstitut Empirica ein kleines Beben bei Anlegern und in der Immobilienbranche ausgelöst. In Städten wie München seien Immobilien erheblich überbewertet, die Nachfrage werde zurückgehen, das Preis- und Mietniveau stagnieren oder sogar sinken. Im Herbst sieht die Lage auf den Wohnungsmärkten der deutschen Städte allerdings (noch) ganz anders aus: Wieder einmal sind die Preise und Mieten gestiegen.
Das zeigen auch die aktuellen Zahlen von Empirica. So haben sich neu gebaute Eigentumswohnungen in den kreisfreien Städten im dritten Quartal im Vergleich zum Frühjahr um zwei Prozent verteuert. Mit Abstand am meisten müssen Käufer in München bezahlen (7434 Euro pro Quadratmeter). Im Vergleich der Metropolen folgen Stuttgart (5231 Euro pro Quadratmeter) und Frankfurt. Längst trifft der Preisanstieg nicht nur die großen Metropolregionen. Eine große Nachfrage und ein zu kleines Angebot prägen auch die Märkte in Universitätsstädten und in stark wachsenden Standorten. In der Empirica-Rangliste finden sich so zum Beispiel Freiburg und Ingolstadt mit knapp 5000 Euro pro Quadratmeter weit vorne. Dort sind Neubauwohnungen im Durchschnitt mittlerweile merklich teurer als in Hamburg oder Düsseldorf.
Was Eigennutzer frustriert, die derzeit eine Wohnung oder ein Haus suchen, freut die Kapitalanleger. Der Wert ihrer Immobilien ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. So haben sich laut der Immobilienberatung Bulwiengesa zum Beispiel die Preise für neue Eigentumswohnungen in München zwischen 2006 und 2016 glatt verdoppelt, die Preise für Bestandswohnungen sind sogar um knapp 127 Prozent gestiegen.
Mit dem Wertzuwachs ist allerdings noch kein Geld verdient. Die meisten Kapitalanleger wollen ihre Immobilie schließlich über einen längeren Zeitraum halten. Hinzu kommt: Wer ein Objekt weniger als zehn Jahre hält, muss beim Verkauf eine Spekulationssteuer zahlen. Die Entscheidende Größe für Anleger sind daher die Einnahmen durch die Mieten. Und die haben sich anders entwickelt. Zwar sind die Mieten in den Metropolen und begehrten Städten deutlich geklettert, allerdings bei Weitem nicht so stark wie die Preise. So sind laut Empirica die Preise für Neubauwohnungen in kreisfreien Städten seit 2004 um knapp 62 Prozent gestiegen, die Mieten dagegen um 36 Prozent. Die Folge: Die Renditen sinken immer weiter. Käufer zahlen laut Empirica für eine Wohnung in München bereits das 35,9-fache der Jahresmiete. Im Jahr 2004 kostete eine Wohnung nur 27,7 Jahresmieten.
Private und institutionelle Investoren wie Versicherungen nehmen die fallende Renditen in Kauf, weil sie vor allem eine stabile Anlage suchen. „Sicherer geht es eigentlich nicht“, sagt Martin Eberhardt, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) in Deutschland. Wohnungen hätten einen stabilen Cashflow. „Anleger schätzen außerdem die wirtschaftliche und politische Stabilität in Deutschland.“ Im Vergleich zu anderen Anlagen wie Bundesanleihen werfen Immobilien außerdem noch einen vergleichsweise hohen Gewinn ab.
Angesichts der sinkenden Renditen gehen allerdings manche institutionelle Investoren davon aus, dass die Preisentwicklung in Deutschland bald ihren Höhepunkt erreicht haben dürfte. „Wir haben ein Plateau erreicht“, sagt Thomas Meyer, Vorstand der Wertgrund Immobilien AG. Sollten außerdem die Zinsen spürbar steigen, würde dies die Nachfrage schwächen. Die Analysten von Empirica gehen zudem davon aus, dass nicht mehr so viele Menschen in Schwarmstädte wie München ziehen. Große Sprünge nach oben erwarten die meisten Marktanalysten nicht mehr. Allerdings: Einen flächendeckenden Absturz halten die meisten Experten auch für unwahrscheinlich. Die Städte wachsen, Käufer setzen viel Eigenkapital ein. Außerdem wird in Deutschland zu wenig gebaut. Die Bundesregierung geht davon aus, dass pro Jahr mindestens 350 000 Wohnungen benötigt werden. Für dieses Jahr rechnet das Bauministerium allerdings mit nur etwa 320 000 fertiggestellten Wohnungen.
Quelle: Süddeutsche Zeitung